Diese Seite wird momentan im vereinfachten Darstellungs- und Betriebsmodus präsentiert. Details >>
Flugrouten für Berlin-Schönefeld sorgen für Streit
Von: @cf <2010-12-19>
Berliner Bürger wehren sich gegen die von der DFS ge­plan­ten Flug­routen für den neuen Flug­hafen Berlin-­Schönefeld - denn sie ver­laufen deutlich anders als im Plan­verfahren an­ge­nommen

Nicht nur im Rhein-Main-Gebiet wird über neue und/oder veränderte Flugrouten und die daraus entstehende Lärmbelastung gestritten. Vor allem in Berlin ist seit Monaten "der Bär los": es geht um die neuen Flugrouten am Flughafen Schönefeld ("Berlin Brandenburg International", BBI), der Mitte 2012 in Betrieb gehen soll.

Denn die Flugrouten, die die DFS im September bekanntgegeben hat, unterscheiden sich von jenen, mit denen im Planfeststellungsverfahren und den darauf folgenden Gerichtsverfahren gearbeitet wurde. Durch die neuen Routen würden nicht nur Randbereiche, sondern größere Teile des Kern-Stadtgebietes von Berlin überflogen. Viele bisher nichts ahnende Bürger würden plötzlich in die Fluglärmbereiche geraten.

Im Planfeststellungsverfahren war man davon ausgegangen, dass die Flugzeuge nach dem Start in beiden Richtungen ein größeres Stück geradeaus fliegen. Will man jedoch die beiden Bahnen unabhängig voneinander betreiben (also auch einmal von beiden Bahnen Flugzeuge gleichzeitig starten lassen), ist eine parallele Routenführung nach den internationalen Regeln nicht erlaubt. Deshalb knicken die neuen Flugrouten direkt nach der Landebahn ab und laufen im Winkel von 15 Grad auseinander. Dadurch würden nun ganz andere Gebiete überflogen als bisher und weit mehr Menschen mit Fluglärm belastet als angenommen.

In relativ kurzer Zeit begriffen auch bisher unbeteiligte Bürgerinnen und Bürger, was ihnen da ins Haus steht, und schnell formierte sich Widerstand. Innerhalb weniger Wochen wurden zahlreiche neue Bürgerinitiativen gegen die neuen Flugrouten gegründet, die schnell einen hohen Mobilisierungsgrad erreicht haben. Seit Wochen findet sich die Diskussion um die Flugrouten jeden Tag in der Berliner Presse, sogar auf den Titelseiten. Demonstrationen und Protestaktionen finden regelmäßig statt. Tausende gingen schon auf die Straße, dabei auch viele Menschen, die noch nie zuvor demonstriert hatten. Die Initiativen fordern die Rückkehr zu den Flugrouten, die seit 1998 in den Planverfahren verwendet wurden, weil sich die Menschen in ihren privaten Planungen auf diesen Zustand eingestellt haben. Die Tatsache, dass die Flugrouten nach dem Planfeststellungsbeschluss einfach geändert werden können, erregt großen Zorn. Die Petition für die Planfeststellung von Flugrouten nahm in Berlin ihren Anfang. Initiativen aus ganz Deutschland haben sich den Forderungen angeschlossen.

Der massive Protest zeigte schnell Wirkung. Die Fluglärmkommission, die die Routen maßgeblich mitbestimmt und Vorschläge machen soll, wurde gegen den Widerstand der alten Teilnehmer um 17 Mitglieder aus den neu betroffenen Gebieten erweitet (die Gegner der neuen Flugrouten haben jetzt die Mehrheit). Der Vorsitzende der Kommission musste zurücktreten, weil als nicht neutral eingeschätzt wurde. Sogar die Politiker fürchten den Volkszorn, engagieren sich und mischen sich in die Diskussion ein, machen sogar Wahlkampf mit dem Thema. Ministerpräsident Platzek und Bürgermeister Wowereit versuchen, Lösungen für den Streit zu finden. Die politische Wirkung reicht über Berlin hinaus. Verkehrsminister Ramsauer forderte den Flughafen auf, darüber nachzudenken, ob gleichzeitige parallele Starts überhaupt notwendig seien.

In den letzten Tagen spitzt sich der Streit zu. Dass bei unabhängigem Betrieb der beiden Bahnen geknickte Flugrouten erforderlich sind, war der DFS schon 1998 bekannt, und sie hatte damals empfohlen, dies bei der Planung zu berücksichtigen und Lärmkorridore anzunehmen. Doch die beiden Briefe der DFS zum Thema wurden in den Planfeststellungsunterlagen erst zu einem, harmlos klingenderen Schreiben zusammengefasst und sind in einer späteren Version der Unterlagen ganz ( mehr hier ). Hat die Politik damals Einfluss genommen, die tatsächlich angestrebten Flugrouten nicht im Verfahren zu verwenden, weil Schönefeld sonst nicht durchsetzbar gewesen wäre? Jedenfalls ist ein Brief des damaligen Flughafenchefs an den Bundesverkehrsminister an die Öffentlichkeit gelangt, in dem das Ministerium darum gebeten wird, "Einfluss auf die DFS dahingehend zu nehmen, daß die DFS Ihre Stellungnahme modifiziert" und nichts gegen die Geradeaus-Starts sagt. Zur Unterstützung der Forderung wird verklausuliert darauf hingewiesen, dass man die endgültigen Flugrouten ohnehin erst vor dem Beginn des Betriebes festlegen würde und dann "auf die aktuellen Gegebenheiten Rücksicht genommen werden könne".

Weil in den späteren Versionen der Planunterlagen keine Hinweise auf die heute umstrittenen Abflugrouten mehr enthalten waren, konnte auch das Bundesverwaltungsgericht bei den Klagen gegen den Flughafen Berlin-Schönefeld nicht berücksichtigen, dass es mehr Lärmbetroffene gegen könne als seinerzeit angenommen. Mehrere Berliner Bürger haben nun Rechtsanwälte beauftragt zu prüfen, ob man den Planfeststellungsbeschluss anfechten kann. Derweil geht der Streit um die Flugrouten in Berlin in unverminderter Schärfe weiter.

Die ENtwicklung in Berlin ist sehr spannend und hat wegen des großen Engagements der Betroffenen durchaus das Potenzial, die Verfahren bei der Festlegung von Flugrouten zu verändern. Wer die Entwicklung verfolgen will, kann das am besten auf den Seiten der Berliner Bürgerinitiaven tun. Hier gibt es sehr viele Informationen - und einen Eindruck davon, wie Bürgerprotest effektiv organisiert werden kann. Den Verlauf des Flugroutenstreits kann man über das Presseecho ganz gut chronologisch nachvollziehen.


Themen hierzuAssciated topics:

Flughafen Berlin-Schönefeld (BER) Flugrouten Bürger­ini­tia­tiven

Das könnte Sie auch interessierenFurther readings:
Planfeststellungsbeschluss zum Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld
Mitteilung der Planfeststellungsbehörde vom 13.08.2004
Von: @Land Brandenburg, Planfeststellungsbehörde <2004-08-13>
   Mehr»
Planfeststellungsbeschluss Flughafen Berlin-Schönefeld ist da!
Jetzt auch im Internet
Von: @cf <2004-08-31>
   Mehr»
Eilanträge gegen Flughafen Berlin-Schönefeld weitgehend erfolgreich
Pressemitteilung des BVG vom 14.4.2005
Von: @Bundesverwaltungsgericht <2005-04-14>
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld erst einmal gestoppt. Den Eilanträgen gegen den Sofortvollzug des Planfeststellungs-Beschlusses wurde weitgehend stattgegeben.   Mehr»
Baustopp für Großflughafen Berlin-Schönefeld
Bundesverwaltungsgericht hebt Sofortvollzug für Planfeststellungsbeschluss auf
Von: @cf <2005-04-15>
Das Bundesverwaltungsgericht den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld bis zur Entscheidung über die anstehenden Klagen gestoppt. Der geplante Eröffnungstermin in 2010 dürfte sich damit weiter verzögern. Die verantwortlichen Politiker zeigen sich weiterhin unbeeindruckt   Mehr»
Bundesverwaltungsgericht: Grünes Licht für Flughafen Berlin-Schönefeld
Aber Einschränkung des Nachtflugbetriebs (PM vom 16.03.2006)
Von: @Bundesverwaltungsgericht <2006-03-16>
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Musterklagen gegen den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld weitgehend abgelehnt. Allerdings muss beim Lärmschutz nachgebessert werden: so wurde weitgehendes Nachtflugverbot von 0-5 Uhr angeordnet und Verbesserungen bei den Außenbereichen gefordert. Standortwahl und Berücksichtigung von Naturschutzbelange sind nach Meinung des Gerichts korrekt.    Mehr»
Bundesverwaltungsgericht genehmigt den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld
Gericht verlangt Nachtflugverbot von 0-5 Uhr - Fluggesellschaften protestieren
Von: @cf <2006-03-22>
Das Bundesverwaltungsgericht hat grünes Licht für den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld gegeben. Das Gericht ordnete aber verbesserten Lärmschutz, vor allem ein Nachtflugverbot von 0 - 5 Uhr an. Um dieses wird jetzt gestritten   Mehr»
Ausbau Berlin-Schönefeld: die Urteilsbegründungen sind da!
Jetzt beim Bundesverwaltungsgericht im Internet abrufbar
Von: @cf <2006-06-15>
Die Urteilsbegründungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld sind jetzt auf den Internetseiten des Gerichts zum Download verfügbar.    Mehr»
OVG Frankfurt/Oder erklärt Landesentwicklungsplan zu Flughafen Schönefeld für nichtig
Gericht sieht grobe Fehler bei der Standortabwägung - die Ausbau-Planer stört es wenig
Von: @cf <2005-02-11>
Das Oberverwaltungsgericht Frankfurt/Oder hat gestern den "Landesentwicklungsplan Flughafenstandortentwicklung (Lep FS)" der Länder Berlin und Brandenburg für unwirksam erklärt. Die Richter bescheinigten den Planern "grobe Fehler bei der Standortauswahl und der Beurteilung der Wirkung des Lärms auf die Betroffenen".   Mehr»
Verfassungsbeschwerden gegen Planfeststellungsbeschluss für Flughafenbau Berlin-Schönefeld erfolglos
Pressemitteilung Nr. 31/2008 vom 14. März 2008
Von: @Bundesverfassungsgericht <2008-03-14>
Das Bundesverfassungsgericht sieht durch den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Flughafens Berlin-Schönefeld die Grundrechte der Anwohner nicht verletzt.    Mehr»
71 Nachtflüge in Berlin-Schönefeld - trotz "Nachtflugverbot" ?
Von: @cf <2009-10-06>
Am neuen Flughafen in Berlin-Schönefeld könnte es 71 Nachtflüge geben - obwohl das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil von 2006 der Nachtruhe hohe Priorität eingeräumt hat    Mehr»
Einigung auf neue Flugrouten für Berlin-Schönefeld
Von: @cf <2011-07-07>
Nach heftigen Bürgerprotesten und langen kontroversen Diskussionen hat man in Berlin einen Kompromiss gefunden: die DFS stellte die neuen Flugrouten für den Flughafen Berlin-Schönefeld vor.   Mehr»
BVerwG: Keine Ausweitung des Nachtflugverbots - Nachbesserung beim Schallschutz
Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.10.2011
Von: @cf <2011-10-13>
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat heute die Klagen von Anwohnern und Gemeinden gegen die Regelung des Nachtflugbetriebs auf dem Flughafen Berlin Brandenburg abgewiesen.   Mehr»
BVerwG: Planfest­stellungs­beschluss Flug­hafen Berlin hat Bestand
Pressemitteilung vom 31.07.2012
Von: @Bundesverwaltungsgericht <2012-07-31>
Das Bundes­verwaltungs­gericht hat die Klagen gegen den Plan­fest­stellungs­beschluss zum Flughafen Berlin wegen behaup­teter Täuschung über Flug­routen abgewiesen.   Mehr»
Flughafen Berlin-Brandenburg: Eröffnung erneut verschoben
Von: @cf <2013-01-11>
Die Probleme auf der Baustelle des neuen Berliner Flughafens (BER) hören nicht auf: die für Oktober 2013 geplante Eröffnung ist geplatzt. Neuer Ärger droht aus Brüssel   Mehr»
Ministerpräsident vergleicht Schönefeld und Frankfurt:
Siehr: "Falsche Schlussfolgerungen"
Pressemitteilung vom 31.07.2006
Von: @Kreis Gross-Gerau <2006-07-31>
Als "vorsätzliche Verwirrung der Öffentlichkeit" kommentiert der Groß-Gerauer Landrat Enno Siehr aktuelle Äußerungen des hessischen Ministerpräsidenten zur Verankerung des geplanten Flughafenausbaus im kommenden Landesentwicklungsplan.   Mehr»
BVerwG: Klagen gegen die "Wannsee-Flugrouten" erfolglos
Pressemitteilung vom 12.11.2014
Von: @Bundesverwaltungsgericht <2014-11-12>
Das Bundes­verwaltungs­gericht hat heute zwei Urteile des Ober­verwaltungs­gerichts Berlin-Brandenburg zu den sog. "Wannsee-Flugrouten" bestätigt.    Mehr»
BVerfG: Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen die Planfeststellung des Flughafens Berlin-Schönefeld
Von: @Bundesverfassungsgericht <2017-12-12>
Das Bundesverfassungs­gericht hat entschieden, dass der Planfeststellungs­beschluss nicht rechtswidrig ist, auch wenn später die dort angenommenen Flugrouten geändert wurden.   Mehr»
BVerfG: Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen die Nachtflugregelung für den künftigen Flughafen Berlin Brandenburg
Von: @Bundesverfassungsgericht <2018-07-31>
Das Bundes­verfassungs­gerichts hat drei Verfassungs­beschwerden gegen Entscheidungen des Bundes­verwaltungs­gerichts zur Nachtflugregelung am künftigen Flughafen Berlin Brandenburg nicht zur Entscheidung angenommen.   Mehr»
Gericht: Wannseeroute ist rechtswidrig
Pressemitteilung vom 23.01.2013
Von: @Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg <2013-01-24>
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat den Klagen von Anwohnern und Gemeinden gegen die "Wannseeroute" stattgegeben.   Mehr»
Pressemitteilung des Bündnis der Bürgerinitiativen:
BBI: "Am Boden bleiben" zu Gast bei der Montagsdemonstration am 14. Oktober 2019
In Zeiten der Klimakrise: Sofortiger Ausbaustopp und massive Verringerung des Flugverkehrs!
Von: @Bündnis der Bürgerinitiativen <2019-10-09>
   Mehr»
Die Bildrechte werden in der Online-Version angegeben.For copyright notice look at the online version.

Bildrechte zu den in diese Datei eingebundenen Bild-Dateien:

Hinweise:
1. Die Bilder sind in der Reihenfolge ihres ersten Auftretens (im Quelltext dieser Seite) angeordnet.
2. Beim Anklicken eines der nachfolgenden Bezeichnungen, wird das zugehörige Bild angezeigt.
3, Die Bildrechte-Liste wird normalerweise nicht mitgedruckt,
4. Bildname und Rechteinhaber sind jeweils im Dateinamen des Bildes enthalten.