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Erörterungstermin - Bericht vom 25.10.2005
Prognosegrundlagen - spannende Rechtsfragen
<2005-10-25>

Thema am 25.10.2005 waren "Prognosegrundlagen zur Ermittlung der Umweltwirkungen", Unterpunkte 4.1 (Methodik), teilweise auch schon 4.2 (Betriebliche Grundlagen und Bezugszeitraum für die Auswirkungsprognosen). Es ging vorwiegend um diffizile Rechtsfragen.

Worum geht es?

Das Thema mit dem trockenen Titel "Prognosegrundlagen" enthält einige sehr wichtige Probleme, die eigentlich leicht verständlich sind und die auch in vielen Einwendungen der Bürgerinnen und Bürger enthalten sind. Ist bei der Berechnung der Auswirkungen des Ausbaus (vor allem des Lärms) von den 656 000 Flugbewegungen auszugehen, die Fraport als Bedarf im Jahr 2015 angegeben hat - oder muss man die technisch mögliche Kapazität (900 000 oder noch mehr) Flugbewegungen zu Grunde legen? Wie ist die Entscheidung des VGH Kassel zu bewerten, in der von den Bürgern praktisch verlangt wurde, bei der Planfeststellung der Startbahn West von 1971 den Umfang des heutigen Flugverkehrs vorauszusehen und dagegen Einspruch zu erheben? Ist der Prognosezeitraum bis 2015 nicht viel zu kurz, wenn die Bahn frühestens 2009 in Betrieb gehen kann? Ist es erlaubt, wenn Fraport die Auswirkungen ihres Vorhabens nicht etwas als Differenz des Ausbaufalls im Jahr 2015 gegenüber dem heutigen Zustand berechnet, sondern als Differenz zwischen dem Ausbaufall 2015 und einem hypothetischen "Prognose-Nullfall" (geschätzte Entwicklung des Flughafens ohne Ausbau) im Jahr 2015? Wurde der Prognose-Nullfall absichtlich "hochgerechnet", damit die Differenz zum Ausbaufall klein aussieht? Wurden die Ausgangsdaten für die Prognose (z.B. Prognoseflugplan, Flugrouten und Flugroutenbewegung) richtig gewählt? Darf man überhaupt noch eine Erweiterung in Betracht ziehen, obwohl die Grenze zur Gesundheitsgefährdung schon stellenweise überschritten ist? Oder ist diese Grundrechtsverletzung mit dem Schallschutzprogramm des Ministeriums abgestellt und zählt nicht mehr? Fragen über Fragen, die viele Einwender interessieren.

Doch praktisch war, zumindest an diesem ersten Tag, die Diskussion um diese interessanten Fragen eine Sache der Juristen, man fühlte sich stellenweise wie in einer Gerichtsverhandlung. Entsprechend harrten nur wenige Privateinwender im Saal aus, um der Erörterung zu folgen. Nur ein einziges Mal wurde die trockene juristische Debatte durch einen Privateinwender unterbrochen, der für das Bündnis der Bürgerinitiativen sprach. In einem brillianten Vortrag, der auch die Anwälte beeindruckte, schilderte er die Situation eines Einwenders im Erörterungstermin für die Startbahn West im Jahr 1970. Wie wäre es einem Bürger ergangen, der damals wirklich den heutigen Flugbetrieb vorhergesehen hätte? Müsste man heute nicht daraus Konsequenzen ziehen? Konkrete Antworten gab es nicht. Was jedem Bürger, der ein wenig nachdenkt, eigentlich völlig klar und logisch erscheint, ist in diesem Verfahren keineswegs selbstverständlich. Ob das Regierungspräsidium und später die Planfeststellungsbehörde den Argumenten der Einwender folgen wird, ist äußerst fraglich. Und so muss man davon ausgehen, dass die juristische Debatte vom heutigen Tag in absehbarer Zeit vor dem Bundesverwaltungsgericht weitergeht.

Stadt Offenbach fordert Abbruch der Erörterung

Die Veranstaltung begann mit einer Einführung des Regierungspräsidiums und einer kurzen Darstellung der Prognosegrundlagen durch Fraport (Tenor hier: alles Stand der Technik und bestens in Ordnung).

Danach stellte Rechtsanwalt Geulen für die Stadt Offenbach einen langen und komplizierten Antrag, indem erneut eine Aussetzung der Erörterung gefordert wurde. Auf der Grundlage der bestehenden Unterlagen sei eine hinreichende Diskussion der Auswirkungen nicht möglich, da schon die Prognosegrundlagen falsch sein. Geulen brachte folgende Punkte vor:

  • Der Prognosezeitraum sei viel zu kurz, er müsse nach der aktuellen Rechtsprechung 10-20 Jahre nach dem Planfeststellungsbeschluss betragen, in manchen Fällen seien auch schon 30 Jahre gefordert worden. Die jetzt verbleibenden 4-5 Jahre zwischen Planfeststellungsbeschluss und Ende des Prognosezeitraums würden nichteinmal für eine Planrechtfertigung genügen. Es gebe zwar keine festgelegte Zahl von Jahren für den Prognosezeitraum, jedoch müsse die Zahl sinnvoll und so groß wie möglich sein, denn die Betroffenen müssten die Auswirkungen praktisch unbegrenzte Zeit hinnehmen
  • Die Berechnungen hätten mit der technischen Kapazität des ausgebauten Flughafens (mindestens 900 000 Flugbewegungen, mehr als 100 Millionen Passagiere) und nicht mit den Annahmen der Fraport durchgeführt werden müssen. Nach der ZRM-Simulation seien 45% mehr Flüge möglich als von Fraport in der Prognose verwendet, deshalb könne das Ergebnis der Lärmberechnungen gar nicht richtig sein, selbst wenn die Berechnungsmethode in Ordnung sei.
  • Die jetzt schon bestehenden Vorbelastungen der Bewohner der Region und sogar die bis 2015 ohne Ausbau geschätzten Belastungen würden den Betroffenen von Fraport als hinzunehmenden Vorbelastung angerechnet, das sei rechtlich nicht haltbar. Im Planfeststellungsbeschluss von 1971 sei man von maximal 320 000 Flugbewegungen ausgegangen, nur diese Belastung sei damals einer Abwägung unterzogen worden und deshalb als Vorbelastung relavant. Die Differenz aus den für den Prognosenullfall (nach ZRM-Simulation) geschätzten 575 000 Flügen und den 325 000 Flügen von 1971 sei niemals Gegenstand einer Abwägung gewesen und müsste daher bei einer erneuten Planfeststellung jetzt mit in die Abwägung eingehen.
  • Die Grenze zur Gesundheitsgefahr durch den Fluglärm sei laut VGH Kassel in Teilen Offenbachs schon heute überschritten ("Grenze der verfassungsrechtliche Zumutbarkeit"), allein deshalb dürfte nicht einmal der Ist-Zustand als hinzunehmende Vorbelastung festgeschrieben werden. Eine Erweiterung dürfte unter diesen Umständen erst recht nicht mehr mehr stattfinden, es sei denn, eine erneute Abwägung würde ergeben, dass nach dem Ausbau die Gesundheitsgefährdung nicht mehr vorhanden ist.

Herr Faulenbach da Costa schloß sich für die von ihm vertretenen Offenbacher Wohnungsbaugesellschaften dem Antrag von Rechtsanwalt Geulen an. Er bemängelte zusätzlich, die Variante "Starten und Landen auf Startbahn West" statt Ausbau sei nicht untersucht worden, obwohl diese Variante den Kriterien von Fraport formal genüge. Dies sei ein erheblicher Planungsmangel. Die planbare technische Kapazität müsse den Auswirkungsbetrachtungen zugrunde gelegt werden. Das RP solle heute entscheiden, ob die von Fraport prognostizierte oder die technische Kapazität Grundlage sein solle.

Und was sagt Herr Gaentzsch dazu?

Herr Gaentzsch äußerte sich ein weiteres Mal vorsichtig zur Problematik des Prognosezeitraums. Er könne nicht sagen, ob die geäußerte Ansicht richtig oder falsch sei. Als Einwender wolle man die Auswirkungsprognose möglichst langfristig haben, die Bedarfsprognose aber möglichst kurz (damit man sagen kann, es muss nicht ausgebaut werden), der Flughafen sehe dies genau umgekehrt. Gaentzsch meinte, vom Zeitpunkt der Planfeststellung seien nach der Rechtsprechung 10-15 Jahre anzunehmen. Fraport habe mit dem Planfeststellungsbeschluss (PFB) im Jahr 2005 gerechnet und die Prognose reiche bis 2015. Die Einwender gingen hier von einem Planfeststellungsbeschluss erst 2010 aus. Eine Sensitivitätsanalyse habe gezeigt, dass die Verschiebung des PFB von 2005 um 2007 einfach eine entsprechende Verschiebung des Eintretens der Prognose nach sich ziehen würde. Der Prognosezeitraum sei kein Grund, die Erörterung jetzt abzubrechen. Wenn es das falsche Jahr sei und es mehr als 660 000 Flugbewegungen geben würde, müsste man die Umweltauswirkungen neu ermitteln und ein neues Anhörungsverfahren dafür starten, aber den jetzigen Erörterungstermin brauche man deshalb nicht abzubrechen. Die Entscheidung der von Herrn Faulenbach da Costa gestellten Frage, welche Kapazität für die Berechnungen zu verwenden sei, könne die Anhörungsbehörde nicht entscheiden: "Die Planfeststellungsbehörde wird es entscheiden. Wenn entschieden wird, dass die jetzigen Annahmen falsch waren, fängt das Verfahren eben von vorne an". Zur Frage der anrechenbaren Vorbelastungen und Grundrechtsverletzungen wollte sich Gaentzsch nicht konkret äußern: "Das ist eine schwierige Frage."

Herr Faulenbach da Costa kommentierte diese Aussagen noch einmal: "Im September 2004 hat Fraport schon genau gewusst, dass beim Planfeststellungsbeschluss eine Verschiebung eintreten wird. Es sind die normalen Verfahrenszeiträume zu Grunde zu legen, nicht das, was der Vorhabensträger annimmt. Die Zeiten sind hier nicht außergewöhnlich lang. Wenn die Verfahren noch verkürzt werden, wie Ministerpräsident Koch das plant, wird dieses Recht noch mehr Unrecht produzieren als jetzt schon." Es gehe bei der Vorbelastung, die den Bürgern hier zusätzlich untergejubelt werde, um die Kapazität des gesamten Flughafens Düsseldorf. Es würde keinen Sinn machen, jetzt monatelang mit einer Kapazität von 660 000 Flügen zu diskutieren und die Planfeststellungsbehörde würde später vielleicht etwas anderes entscheiden.

Herr Gaentzsch sagte darauf nochmals, wenn die Berechnung der Auswirkungen falsch sei, könne es ein neues Verfahren geben, aber man könne auch eine Deckelung der Flugbewegungen oder ein Lärmkontingent anordnen. "Ein neues Verfahren ist nicht die einzige Möglichkeit, der Erörterungstermin ist nicht umsonst". Darauf Faulenbach da Costa: "Nein, umsonst ist er nicht, aber Verschleuderung von Volksvermögen". [Anmerkung eines Einwenders: eine Deckelung ist viel billiger als ein neues Verfahren, und das Ministerium kann sie später - mit Hinweis auf die vielen gefährdeten Arbeitsplätze - auch wieder aufheben.]

Wie wird der Umweltbericht aus dem LEP-Entwurf berücksichtigt?

Im Anschluss wurde die Frage gestellt, ob und wie der Umweltbericht aus dem Änderungsverfahren zum Landesentwicklungsplan (LEP) in das Planfeststellungsverfahren einfließen würden. Hier seien zum Teil andere Ergebnisse als in den PFV-Unterlagen. Das RP (Herr Eck) vertrat die Ansicht, die Ergebnisse müssten berücksichtigt werden. Herr Gaentzsch präzisierte, beim Planfeststellungsverfahren und dem Landesentwicklungsplan handele es sich um zwei verschiedene Verfahren. Unter dem Abwägungsgebot müsste die Behörde bei der Abwägung aber alles berücksichtigen, was sie weiss. Wenn also der Umweltbericht zu der Erkenntnis führe, dass Sachverhalte in den Planunterlagen falsch seien, müsse man das berücksichtigen. Der Umweltbericht sei im Moment noch nicht endgültig, da das LEP-Änderungsverfahren noch laufe. Zum Zeitpunkt der Planfeststellung müsse die Behörde dann den aktuellen Stand berücksichtigen, nicht formal, aber inhaltlich.

Als Beispiel einer Abweichung zwischen PFV und LEP-Verfahren wurde genannt, im LEP seien bei der Variantenauswahl alle Varianten berücksichtigt worden, die mit dem heutigen Flugzeugmix 120 Flugbewegungen/Stunde erreichen. In den Unterlagen der Fraport werde vom zukünftigen Flugzeugmix ausgegangen. Es entstand eine längere kontroverse Diskussion darüber, ob man solche Punkte später beim Thema "Raumordnung" behandeln solle oder ob man dies beim Thema "Konfiguration" schon längst hätte behandeln müssen. Herr Norgall vom BUND wies darauf hin, der Umweltbericht beim LEP stamme nicht von irgend jemand, sondern von der Behörde, die auch über den Planfeststellungsbeschluss entscheide. Wenn sich (wie z.B. beim Lärm) zwischen dem Umweltbericht und den Planunterlagen wichtige Unterschiede ergeben würden, müsse man den Gutachter des Landesentwicklungsplans dazu hören. Es gehe nicht an, dass das Planungschaos, dass durch den neuen Landesentwicklungsplan (auf Einspruch der EU-Kommission hin) entstanden sei, zu Lasten der Betroffenen gehe. Herr Gaentzsch wiederholte, die Planfeststellungsbehörde müsste sich mit der Frage befassen, ob und wie neue Erkenntnisse aus dem LEP für die Planfeststellung von Bedeutung sein, auch wenn dies nicht Gegenstand von Einwendungen gewesen sei.

Eine längere Diskussion gab es um die Frage, ob die Umweltverträglichkeitsstudie eine eigenständige Alternativenprüfung enthalten muss. Ein Einwender meinte, es genüge hier nicht, einfach die frühere Alternativenprüfung zu übernehmen. Fehler würden so von Gutachten zu Gutachten weitergereicht. Als Beispiel wurde genannt, beim Vergleich der Südbahn und der Nordwestbahn würde man eine kürzere Landebahn mit einer längeren und breiteren Start- und Landebahn vergleichen. Beim Kriterium Flächenverbrauch würde auf diese Weise die Landebahn immer besser abschneiden, die alternativen seien aber nicht gleichwertig. Herr Gaentzsch erläuterte, dass UVP-Gesetz sehe keine Pflicht zur Alternativenprüfung vor. Die Alternativen müssten nur dargestellt werden, dies habe Fraport getan.

Eine weitere Frage war, ob die Grundlagen für den Prognose-Nullfall korrekt gewählt seien. Ein Einwender warf Fraport vor, man schiebe möglichst viele Belastungen auf den Nullfall, damit die Differenz zum Ausbaufall klein aussehe. So habe man zum Beispiel beim SO2 50% der gesamten angenommenen Steigerung auf den Nullfall geschoben. Das RP meinte dazu, die korrekte Festlegung des Nullfalls sei ein wichtiges Problem. Dazu würden auch die aktuellen Ausbaumaßnahmen am Terminal 1 und die A380-Halle gehören.

Muss Fraport die externen Kosten tragen?

Herr Paulitzsch, Einwender aus Offenbach, brachte eine Liste von Kritikpunkten zur Prognosemethodik vor.

  • Zeitliche Diskrepanz: Fraport wolle für den Ausbau 4,3 Mrd. Euro investieren, die Investition halte 50 Jahre. Die Umweltauswirkungen würden aber nur bis 2015 betrachtet
  • Räumliche Diskrepanz: Negative Wirkungen wie Schadstoffemissionen würden nur sehr kleinräumig um den Flughafen herum betrachtet, weiter reichende Auswirkungen dadurch, dass die Flugzeuge weiter fliegen, würden nicht betrachtet. Bei den Arbeitsplätzen würde dagegen eine globale Betrachtung gewählt.
  • Wirtschaftliche Auswirkungen: Kompensationszahlungen würden nicht ausreichend berücksichtigt. Man betrachte hier als Kosten nur dass, was die Gerichte wahrscheinlich wegen grundrechtsrelevanter Belastungen als Entschädigung bewilligen würden (z.B. beim Lärm ab 62 dB(A). Kosten (z.B. Wertverluste) würden aber schon weit unterhalb dieser Schwelle entstehen.
  • Vernachlässigung der externen Kosten (z.B. Klimawandel)
  • Grenzwerte: Fraport wende Grenzwerte nur dann an, wenn damit das Vorhaben unterstützt werden soll. So werde trotz Steigerung der Flugbewegungen von einer Verringerung der Schadstoffemissionen ausgegangen, mit der Begründung des technischen Fortschritts. Die Annahme, dass in Zukunft die Grenzwerte für Schadstoffe verschärft werden dürften, würde nicht betrachtet.
  • Widersprüchliche Anwendung von Trends aus dem Ausland: Fraport greife immer dann auf Werte aus dem Ausland zurück, wenn damit ihre Thesen gestützt würden. Sind die Grenzwerte im Ausland dagegen schärfer (z.B. 26 db(A) im Schlafzimmer nachts um den Flughafen Amsterdam), würden sie nicht betrachtet.
  • Statistische Verfahren würden mit großem Aufwand eingesetzt, um positive Effekte (Arbeitsplätze, Einkommen etc.) des Ausbaus zu untersuchen. Diese statistischen Instrumente würden nicht eingesetzt, um negative Folgen, wie das Auftreten von Gesundheitsschäden, zu untersuchen. Entsprechende Untersuchungen seien auf allen Gebieten durchzuführen
  • Fraport quantifiziere zwar die Zahl der prognostizierten Arbeitsplätze, aber bei anderen Punkten würden die Kosten nicht quantifiziert.

Herr Gaentzsch sagte für das RP dazu, diese Argumente seien in Planfeststellungsverfahren "nicht geläufig". Es seien im Grunde Forderungen an die Rechtspolitik, z.B. bei der Internalisierung externer Kosten. Die Kritikpunkte seien ernst zu nehmen, könnten aber nur berücksichtigt werden, soweit sie in bestehende Gesetze eingegangen wären. Man könne Fraport nur dann Kosten auferlegen, wenn es dafür rechtliche Grundlagen gebe.

Eine Zwickmühle für Einwender?

Rechtsanwalt Schmitz brachte danach Argumente der Stadt Mörfelden-Walldorf vor. Zunächst ging es um den Prognosehorizont. Dieser sei mit maximal 8 Jahren nach dem jetzt angenommenen Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses deutlich zu kurz: "Man kann nicht sagen, je größer das Vorhaben, desto kürzer der Prognosehorizont. Es müsste umgekehrt sein: je größer das Vorhaben, umso länger. Wieso soll man gerade für dieses Verfahren eine Ausnahme machen?" Bei der Prognose der Umweltauswirkungen müsse man nicht zwangsläufig den gleichen Prognosehorizont wählen wie bei der Bedarfsprognose. Ziel der UVP-Gesetzes sei die Vorsorge vor Umweltauswirkungen. Die Frage sei daher, wann die Umweltauswirkungen eintreten würden. Bei der Rodung des Waldes sei das z.B. schon 2007, beim Lärm später. Dieser Zeitpunkt sei zum Vergleich heranzuziehen.

RA Schmitz kritisierte die Methode der Fraport, die Umweltauswirkungen als Differenz zwischen Ausbau 2015 und Prognosenullfall 2015 festzulegen: "Wie kann man nur auf so eine Idee kommen?" Ziel des UVP-Gesetzes sei es schließlich nicht, Einwender in eine Zwickmühle zu bringen: Entweder die Einwender machen für den Nullfall eine niedrige Prognose (z.B. maximal 500 000 Flugbewegungen) - dann akzeptieren sie die Notwendigkeit zum Ausbau, aber die anzurechnende Vorbelastung ist geringer. Oder die die Einwender machen für den Nullfall eine hohe Prognose (z.B. 575 000 Flugbewegungen, um zu zeigen, dass der Ausbau nicht nötig ist), dann akzeptieren sie eine hohe anzurechnende Vorbelastung. Wie sie es machen, machen sie es verkehrt. Dadurch würden die Einwendungsmöglichkeiten unzulässig eingeschränkt. Sinn des UVP-Gesetzes sei aber wirkungsvoller Umweltschutz. Schmitz forderte, es sei der aktuelle IST-Zustand gegen den Planungsfall zu vergleichen. Im Unterrichtungsschreiben des RP sei das auch so enthalten gewesen.

Das RP antwortete, bereits beim Scoping-Termin habe man beide Fälle, den Ist-Zustand und den Prognose-Nullfall, als vergleichende Tabelle gefordert, damit man die Ausbaufolgen mit beiden Zuständen vergleichen kann. Bei Lärm und Schadstoffen würden Daten für beide Fälle vorliegen. Die Behörde müsse entscheiden, was sie zum Vergleich heranziehe, beides sei nach den Unterlagen möglich. Die entscheidende rechtliche Frage sei, ob es auf den Prognose-Nullfall ankommen könnte. Fraport bestätigte, zur Bewertung der Auswirkungen sei die Differenz zwischen Ausbaufall (2015) und Prognose-Nullfall (2015) herangezogen worden, und man sei der Meinung, dies sei zulässig. Während RA Schmitz meinte, die Umweltverträglichkeitsstudie sei deswegen fehlerhaft, meinte das RP, eine Bewertung sei in der Umweltverträglichkeitsstudie nicht vorgesehen, und man habe Fraport auch keine Methode vorgeschrieben. Fraport könne eine Methode vorschlagen, entscheiden müsse aber die Planfeststellungsbehörde.

RA Schmitz führte aus, dass man bei der neuen Planfeststellung die Auswirkungen des geplanten Vorhabens untersuchen (und planfeststellen) müsse und nicht die Differenz zu einem hypothetischen Nullfall, der so nie eintreten würden. Wenn man die Bewertung so vornehmen würde, wie Fraport es tut, gäbe es einen Widerspruch zwischen Neubau und Ausbau, dies sei aus dem UVP-Gesetz nicht ableitbar. Weiterhin fragte Schmitz, wie groß die Ungenauigkeit einer Prognose sein dürfe, damit sie noch den rechtlichen Ansprüchen genügt. Der Nullfall sei selbst eine Prognose, die Bewertung von Fraport basiere also auf der Differenz zweier unsicherer Prognosen und darauf könnte man eine Abschätzung der Umweltauswirkungen nicht stützen.

Diskutiert wurde auch der richtige Zeitpunkt für einen Prognose-Nullfall, wenn man ihn denn verwenden wolle. RA Schmitz meinte dazu, es müsste der Zeitpunkt der "Verwirklichung des Vorhabens" sein (also 2009, wenn Bahn in Betrieb geht). Beim Wald müsste aber bereits der Zeitpunkt der Rodung maßgeblich sein, der Nullfall wäre dann 2007. Grundsätzlich müsse man sich vom Sinn des UVP-Gesetzes leiten lassen, Fraport picke sich hier die Rosinen heraus. Wenn man einen einzigen Zeitpunkt haben wolle, müsse es der früheste Zeitpunkt sein, hier also der Zeitpunkt der Rodung.

LEP - viel mehr Lärmbetroffene als beim ROV?

Rechtsanwältin Philipp-Gerlach (für den BUND) fragte zunächst nach den Grundlagen der Berechnungen für den Ist-Zustand 2002. Fraport bestätigte, der Verkehr vom Jahr 2000 sei auf die Flugrouten vom Jahr 2002 verteilt worden. Philipp-Gerlach stellte danach eine Tabelle vor, in der die Zahl der Lärmbetroffenen aus dem Umweltbericht zum Verfahren zur Änderung des Landesentwicklungsplans mit Zahlen aus der Landesplanerischen Beurteilung von 2002 (Ergebnis des Raumordnungsverfahrens) verglichen wurde. Bei den Stufen A (starke Umwelteinschränkungen), B (deutliche Umwelteinschränkungen) und C (mäßige Umwelteinschränkungen) durch Fluglärm am Tag sind die Zahlen aus dem LEP 9700, 53000 und 330000, bei der Landesplanerischen Beurteilung waren es dagegen 11000, 48000, 280000. Nachts sind die Zahlen in Stufe A und B beim LEP 49999 und 240000 gegenüber 33000 und 210000 in der älteren Untersuchung. Sie wollte wissen, woher die Differenzen kämen. Möglich seien z.B. andere Flugrouten oder andere Belegung der Flugrouten oder geänderte Bevölkerungszahlen. Weder Fraport noch das RP konnten die Diskrepanzen erklären. Die Bevölkerungsentwicklung habe sich nicht geändert, meinte Fraport, also käme vor allem geänderte Flugroutenbelegung und anderer Flugzeugmix in Frage. Die Daten im Umweltbericht LEP seien identisch mit denen aus den PFV-Unterlagen. Auch nach längerer Diskussion konnte das Problem nicht geklärt werden.

Naturschutz - was ist der Ist-Zustand?

Zum Naturschutz fragte Philipp-Gerlach, was dem Ist-Zustand zugrunde liege. Die Pläne beinhalten als Datengrundlage die Untersuchung des Senckenberg-Instituts von 2002. Herr Amann (Fraport) antwortete, alles was zum Zeitpunkt der Erstellung der Planunterlagen verfügbar gewesen sei, sei berücksichtigt. Philipp-Gerlach führte aus, im Jahr 2004 seien noch wesentliche neue Untersuchungen gemacht worden, die Ende 2004 auch vorgelegen hätten. Flächen und Auswirkungsprognosen seien dabei teilweise ganz anders. Die Planunterlagen seien bei Antragstellung richtig gewesen, jetzt aber veraltet. Mit welchen Daten man jetzt diskutieren solle? Sie verlangte eine grundsätzliche Entscheidung jetzt bei Betrachtung der Methoden und nicht erst im Januar bei Diskussion der Details des Naturschutzes ("Wollen wir hier Placebo diskutieren?").

Herr Gaentzsch sagte dazu, das sich Daten dauernd ändern würden, wenn man die Unterlagen dauernd anpassen würde, könne man nie eine Planfeststellung machen. Wenn sich beim Naturschutz die Grundlagen geändert hätten, würde man wahrscheinlich mit den neuen Grundlagen diskutieren, aktuelle Daten könnten nachgeliefert werden. Philipp-Gerlach gab zu bedenken, die neue Untersuchung sei nicht von irgendwem, sondern von der Planfeststellungsbehörde angefordert worden, extra für das Planfeststellungsverfahren. Die Gutachten hätten 750 000 Euro an Staatsgeldern gekostet. Fraport habe die Ergebnisse nicht abgewartet, die Unterlagen seien zu früh ausgelegt worden. Wenn die Landesregierung schon Gutachten für das Planfeststellungsverfahren bezahle, müsste man die dann auch verwenden. Herr Norgall vom BUND wurde noch deutlicher. Fraport hätte es nicht einmal geschafft, die Ergebnisse der ergänzenden Planfeststellung vom A380-Verfahren (von Fraport selbst eingebracht) in die PFV-Unterlagen einzuarbeiten: "der Vorhabensträger hat es nicht gemacht, das RP hat es nicht gemerkt". Auch 2005 seien noch Gutachten in Arbeit. Ob die zwischen Weihnachten und Neujahr zwecks Beteiligung ausgelegt werden sollten? Man bekäme hier völlig neue Daten auf den Tisch gelegt, die Beteiligungsmöglichkeiten würden eingeschränkt. Das RP versuchte zu beruhigen.

Exkurs: Ein Einwender im PFV Startbahn West von 1970

Als nächster sprach Dr. Rahn von der BI Sachsenhausen für das Bündnis der Bürgerinitiativen. Er zeigte zunächst ein Tabelle, auf der der Verlauf der Zahl der Flugbewegungen von 1970 (170 000) bis heute (knapp 500000) dargestellt ist. Beim Planfeststellungsverfahren für die Startbahn West im Jahr 1970 habe man mit maximal 325 000 Flugbewegungen gerechnet. Heute sei die Prognose um 60% übertroffen. (Wenn man die Kurve bis ins Jahr 2915 fortsetzt, kommt man etwa bei 900 000 an).

Deshalb hätten einige Gemeinden geklagt, der jetzige Lärm sei nicht vom Planfeststellungsbeschluss 1971 gedeckt. Der VGH Kassel habe geurteilt, planfeststellungsbedürftig sei nur der Beton (Start- und Landebahnen), die volle technische Auslastung aber nicht. Die Betroffenen müssen also mit Expansion rechnen und damit, dass die technisch mögliche Kapazität ausgeschöpft wird. Ob die Planfeststellungsbehörde in 1971 die heutigen technischen Möglichkeiten vorausgesehen habe, spiele keine Rolle. Aber von den Klägern hätte der VGH verlangt, 1971 den heutigen Zustand vorherzusehen und dagegen Einspruch zu erheben - 1971 seien einige Kläger noch gar nicht geboren gewesen!

Danach stellte Rahn sehr überzeugend vor, was sich damals abgespielt haben könnte. Der Vortrag sinngemäß:
"Wie war das 1970? Nehmen wir an, wir sitzen beim Erörterungstermin 1970, Thema: Prognose. Ich hätte als Einwender vorgetragen, heute haben wir 8 Millionen Passagiere, die Prognose ist 24 Millionen. Ich beschwere mich, der Zeitraum nach dem Prognosehorizont wird ausgeblendet. In 2005 werden wir mehr als 50 Millionen Passagiere haben. Fraport würde mich auslachen! Wo sollen die 50 Millionen Passagiere herkommen, würden sie sagen. Jeder erwerbstätige Bürger in Hessen müsste 12 mal im Jahr fliegen und das bezahlen können! Dazu müsste er 400 DM in Monat nur für Flugtickets ausgeben, bei einem Nettoeinkommen von 800 DM. Dann würde ich sagen: heute in 35 Jahren, am 4. Oktober 2005, werde ich im Taxi von Sachsenhausen zum Flughafen sitzen und dafür 25 Euro bezahlen. Ich lese dabei die Zeitung, dort inserieren Fluggesellschaften: Flug von Frankfurt nach Stockholm: 15 Euro! Spätestens hier würde Herr Amann vor Lachen unter dem Tisch liegen, und dann würde mir der Vorsitzende das Mikrofon abdrehen und mich vom Sicherheitsdienst aus dem Saal führen lassen! Keiner, der richtig prognostiziert hätte, wäre damals ernst genommen worden. Heute haben wir die gleiche Situation! Alles was nach dem Prognosehorizont kommt, wird ausgeblendet. Aber der Flughafen wird 2015 nicht geschlossen, der Luftverkehr wird zunehmen. Wir müssen den Zustand von 2050 voraussehen." Rahn forderte, die technische Maximalkapazität zu ermitteln und die Umweltauswirkungen auf dieser Basis zu ermitteln.

So sieht Fraport die Rechtslage

Herr Lurz (Fraport) stellte die Rechtsauffassung von Fraport dar:

  • als Grundlage für Auswirkungsprognose soll die in einer absehbaren Zeit vorhersehbare Auslastung zugrunde gelegt werden
  • die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erlaube die Berechnung der Auswirkungen aufgrund einer Prognose
  • in der rechtlichen Literatur wird eine Prognose ebenfalls als valide Grundlage gesehen
  • es kommt auf den hinreichend abgesicherten Bedarf für einen vorausschaubaren Zeitraum an
  • Infrastrukturvorhaben seien nicht auf maximale Auslastung angelegt, man müsse von einer realistisch anzunehmenden Auslastung ausgehen
  • die Sättigungskapazität ist ein rein theoretischer Wert. Man müsste die Parameter über einen längeren Zeitraum schätzen, als möglich ist
  • Der Schutz vor Lärm kann nur befriedigt werden, wenn wirklich Bedarf herrscht. Eine Ausrichtung an der Vollauslastung wäre eine unverhältnismäßige Überschätzung
  • es stehen den Betroffenen später durchaus noch Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung (als Beispiel wurden die Lärmschutzauflagen des Ministeriums in der Nacht genannt).

Eine Lärmkontigentierung lehnte Fraport ab. Der Vortrag von Fraport gab reichlich Anlass zum Widerspruch. Einwender kritisierten die Ansicht von Fraport, nachträgliche Rechtsschutzmöglichkeiten würden bestehen. So könnten aktive Schallschutzmaßnahmen so gut wie gar nicht durchgesetzt werden (der VGH Kassel meinte, selbst der schlimmste Lärm sei mit Lärmschutzfenstern in den Griff zu bekommen!), die Bürger seien also auf passiven Schallschutz verwiesen. Sie seien heute daher nicht gleichgestellt mit Einwendern die schon 1970 Einspruch erhoben hätten. Der von Fraport genannte mögliche Teilwiderruf der Betriebsgenehmigung sei nur eine theoretische Möglichkeit.

Bedarfsprognose oder Maximalkapazität - Was sagen die Gerichte?

Rechtsanwalt Scheidmann erörterte ausführlich die Frage, was die Rechtsprechung zur Frage "technische Kapazität oder Bedarfsprognose" als Grundlage der Auswirkungsprognose sage. Bislang gebe es hier keine eindeutige Rechtsprechung. Die Frage, wie eine Prognose auszusehen habe, werde meist unter dem Blickwinkel der Planrechtfertigung gestellt. Einschlägige Urteile seien nur ein Urteil des OVG Lüneburg und eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (2001) zum Flughafen Hannover. Daraus könne man ableiten, dass auch bei Flughäfen die Vollauslastung für die Auswirkungsprognose zugrunde gelegt werden kann, wenn realistisch zu erwarten ist, sie auch eintritt. Die Entscheidung müsse im Einzelfall getroffen werden. Nach den Erfahrungen am Flughafen Frankfurt sei klar, dass Fraport schon aus wirtschaftlichen Gründen eine Vollauslastung anstrebe und dass diese auch erreicht werden könne. Fraport versuche mit allen Mitteln, die Nachfrage zu steigern. Das Terminal 3 sei so dimensioniert, dass es sich für 657000 Flugbewegungen nicht rechnen würde. Scheidmann forderte deshalb, für die Auswirkungsplanung die technische Kapazität zugrunde zu legen.

Weiterhin meinte er, die Anforderung an eine Auswirkungsprognose müsse höher sein als bei einer Prognose zur Planrechtfertigung. Wenn eine sehr langfristige Prognose nicht möglich sein, müsse man die technische Kapazität als Basis nehmen. Eventuelle nachträgliche Auflagen an Fraport nützten den Betroffenen wenig, weil sie darauf keinen Rechtsanspruch hätten, hier gebe es eine Rechtschutzlücke. Auch deshalb müsse die technische Kapazität als Grundlage genommen werden.

Im Anschluss gab es eine längere juristische Diskussion um die Bedeutung des Urteils zum Flughafen Hannover. Einige Sätze wurden bis ins kleinste Detail analysiert. Herr Gaentzsch erläuterte zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, es habe sich hier um eine Entscheidung zur "Nichtzulassung zur Revision" gehandelt. Das Gericht habe hier gesagt, wenn in der Vorinstanz sachlich nichts vorgetragen worden sei, dass man im betrachteten Fall hätte realistisch erwarten können, dass mehr Lärm zu erwarten sei als die Prognose abdeckt, sei die Frage nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Man könne vielleicht den Schluss ziehen, wenn ein gewerblicher Betrieb die Vollauslastung anstrebe und diese auch in einem überschaubaren Zeitraum eintreten würde, könne es sein, dass die Vollauslastung betrachtet werden muss, das könne auch für Flughäfen gelten. Es wurde die Vermutung geäußert, beim Urteil des OVG Lüneburg sei es sehr unwahrscheinlich gewesen, dass die technische Kapazität auch erreicht wird.

Weiterhin wurde das Urteil zur Erweiterung der Nachtflüge am Flughafen München diskutiert. Fraport rechtfertigte seinen Prognosehorizont. Die Münchner Entscheidung spreche eher für kürzere Prognosehorizonte. Die Rechtsprechung habe keinen festen Zeitraum, mit 9 Jahren (2006-2015) liege Fraport nur knapp unter den normalerweise angenommenen 10-15 Jahren. Das Jahr 2015 sei sinnvoll, weil es bis dahin auch die Bundesverkehrswegeplanung gebe.

Rechtsanwalt Fislake (Kelsterbach) sprach sich gegen die Bewertung der Auswirkungen als Differenz zwischen Ausbaufall und Prognosenullfall aus. Man müsse die Differenz zwischen Ausbau und Ist-Zustand verwenden. Die Frage sei, welcher Ist-Zustand zu betrachten sei. Je länger die Basisdaten der Prognose zurückliegen würden, desto größer sei das Risiko, dass sie nicht mehr aktuell seien. Bei Wald oder Grundwasser komme 2015 nicht in Frage, der Wald werde schon beim Bau der Landebahn gefällt. Später zitierte Fislake ein Urteil aus dem Bahnbereich. Danach musste eine angeordnete Schallschutzwand sofort bei Inbetriebnahme gebaut werden, nicht erst bei Überschreitung der Lärmgrenzen. Begründung: "Die prognostizierten Züge könnten morgen fahren". Außerdem kritisierte Fislake eine Aussage im Umweltbericht zum LEP, der Kelsterbacher Wald hätte sowieso keine Überlebenschance.

Will Fraport die Maximalkapazität nutzen?

Rechtsanwalt Diederichsen beschäftigte sich wieder mit der Maximalkapazität. Bis heute wüsste man nicht genau, wie diese sei. Man höre von Fraport seit 5 Jahren nichts anderes als die 657 000 Flugbewegungen oder 120 Flugbewegungen/Stunde. Fraport sei es gelungen, alle Klagen gegen den Ist-Zustand abzuwehren, vielleicht sei das ein Pyrrhus-Sieg? Der Planfeststellungsbeschluss von 1971 habe heute noch Gültigkeit. Da könne es doch nicht sein, dass heute eine Auswirkungsprognose mit einem Koordinationseckwert gemacht werden solle, der nur wenig höher liege als das was Fraport heute schon könne. Der Planfeststellungsbeschluss für die Nordwestbahn sei erst für 2006 erwartet worden, heute ist man bei 2009. Trotzdem wolle Fraport durch Optimierung bis 2009 ohne neue Bahn über die Runden kommen. "Es ist faszinierend, was Sie aus diesem System noch herausholen können". Die Planfeststellungsunterlagen sagten, dass es auch nach 2015 weiteres dynamisches Wachstum des Luftverkehrs geben werde, sodass die Flughäfen an Aufkommensschwerpunkten überlastet würden. Es würde also nichts dagegen sprechen, die technische Maximalkapazität anzunehmen, sie würde schon erreicht.

Herr Lurz antwortete für Fraport, man könne noch nicht absehen, was nach 2015 passieren würde, eine verlässliche Prognose können nur bis 2015 erfolgen. Es werde zwar Wachstum geben, man wisse aber nicht genau wo.Deshalb lege man nur zugrunde, was die Rechtsprechung verlange. RA Diederichsen kritisierte, wenn es eine solche Prognoseunsicherheit gebe, dürfe das nicht einseitig zu Lasten der Betroffenen gehen. Man könne nicht sagen, es gebe weiter Wachstum, es aber dann ausblenden. Dies führe zu einer Abwägungs- und Rechtsschutzlücke.

Der Rechtsanwalt wies zudem auf eine Passage im (alten) Landesentwicklungsplan hin. In Ziffer 8.3 steht dort, bei raumbedeutsamen Änderungen seien die Flächen so zu legen, dass die Lärmbelastung minimiert werde. Dabei sei eine Gesamtlärmbetrachtung erforderlich, und eine mögliche Vollauslastung der Verkehrswege sei zugrunde zu legen. Man brauche also das Urteil des BVG gar nicht zu strapazieren. Das RP fragte sich, ob ein Flughafen ein Verkehrsweg sei. Diederichsen meinte daraufhin, wenn die Betrachtung der Vollauslastung hier schon für Straßen angeordnet werde, obwohl das nach der Rechtsprechung nicht nötig sei, werde es wohl auch für Flughäfen gelten.

Diederichsen sah für Fraport zwei Möglichkeiten: neue Auswirkungsprognose erstellen und neue Anhörung, oder Deckelung der Zahl der Flugbewegungen im Planfeststellungsbeschluss: "Sie werden keinen Freifahrschein wie im PFB von 1971 mehr bekommen".

Rechtsanwalt Scheidmann stellte daraufhin die entscheidende Frage: Würde Fraport darauf verzichten, den Flughafen mit mehr als den geplanten 657000 Bewegungen zu betreiben? Fraport: "Dieses Einverständnis werden wir natürlich nicht geben".

Rechtsanwalt Schmitz erinnerte an das Prinzip, je größer der mögliche Schaden, desto geringer muss die Wahrscheinlichkeit des Eintretens sein. Beim Flughafen Frankfurt sei der Umweltschaden besonders groß, deshalb müsse die Vollauslastung auch bei eventuell geringerer Wahrscheinlichkeit der Vollauslastung untersucht werden.

Zum Schluss bemerkte Herr Faulenbach da Costa, die Atlanta-Variante sei gestrichen worden, weil sie der Region nicht zumutbar sei. Seine Simulation habe nachgewiesen, dass mit der Nordwestbahn genauso viele Flugbewegungen möglich seien wie bei Atlanta. Warum könne man der Region diese Variante zumuten? Faulenbach da Costa beklagte die vielen juristischen Details in der Diskussion, denen ein normaler Einwender kaum folgen könne. Weiter erinnerte er daran, dass nach dem Grundgesetz Eigentum auch verpflichtet. Dazu gehöre auch der Schutz der Umwelt. Fraport lege es dagegen manchmal darauf an, seine Nachbarn zu schädigen, nach dem Motto: Folgen sind euer Problem, wir müssen unseren Flugbetrieb durchziehen. So vergleiche Fraport sich bei der Prognose mit Provinzflughäfen, die nicht einmal eine einzige Bahn voll auslasten könnten. Dagegen begründe man den Ausbau mit dem großen Potenzial als Hub. Faulenbach da Costa zu Fraport: "Dann müssen Sie auch schaffen, in Ihren Prognosen über 2015 hinaus zu sehen. Bei den Marktchancen tun Sie das ja auch."

Am Rande:

Eine Einwenderin monierte die Arbeitsbedingungen der Sicherheitskräfte, die den ganzen Tag auf dem Parkplatz ausharren und die Autos (von Fraport und RP) bewachen müssen. Wenn es jetzt Winter werde, seien das unmenschliche Arbeitsbedingungen. Sie forderte, diese Arbeitsbedingungen besser zu gestalten. Das RP will etwas tun.

Die Diskussion wird morgen mit denselben Punkten fortgesetzt.



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Juristisches zum FRA-Ausbau Erörterungstermin

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